Selbstbestimmung in der U3 – Warum wir den Kleinsten endlich zuhören müssen!

Triggerwarnung für pädagogische Bequemlichkeit: Dieser Text könnte Ihre Haltung erschüttern. Und das ist auch gut so.

Zwei Kleinkinder sitzen nebeneinander auf einer Decke

Die Kleinsten – die am meisten übergangen werden

Sie sind 0,4 bis 3 Jahre alt. Sie sabbern, stolpern, brabbeln – und sie sind verdammt kompetent. Kinder in der U3-Gruppe sind keine hilflosen Wesen, die man „bespielen“ muss, bis sie endlich sprechen können. Sie sind Menschen mit Bedürfnissen, Meinungen und einer klaren Vorstellung davon, was sie wollen – und was nicht.

Und trotzdem: In deutschen Kitas wird ihre Selbstbestimmung regelmäßig ignoriert, übergangen oder – schlimmer noch – gar nicht erst erkannt. Warum? Weil viele Fachkräfte nie gelernt haben, wie diese Altersgruppe kommuniziert. Weil Entwicklungspsychologie und Neurologie in der Ausbildung oft nur Randnotizen sind. Und weil wir Erwachsenen immer noch glauben, dass Macht mit Größe kommt.

„Aber sie können doch noch gar nicht reden!“

Stimmt. Aber sie kommunizieren. Und zwar ständig.

• Ein abgewandter Blick ist ein Nein.
• Ein ausgestreckter Arm ist ein Wunsch.
• Ein Wutanfall ist keine „Trotzphase“, sondern ein Ausdruck von Frustration, weil sie nicht gehört wurden.

Die Hirnforschung zeigt uns längst: Selbstwirksamkeit ist ein Grundbedürfnis – auch bei Babys. Wenn ein Kind merkt, dass es Einfluss auf seine Umgebung hat, wächst sein Selbstbewusstsein, seine emotionale Stabilität und seine Fähigkeit zur sozialen Interaktion. Wer das ignoriert, verhindert Entwicklung.

Fachkräftemangel trifft Haltungsmangel

Ja, der Personalschlüssel ist mies. Ja, der Alltag ist stressig. Aber das ist keine Entschuldigung dafür, Kindern systematisch ihre Mitbestimmung zu verweigern. Es ist eine Einladung, die eigene Haltung zu überdenken.

Denn wer glaubt, dass ein Kind erst mit drei Jahren „mitreden“ darf, hat das Prinzip von Partizipation nicht verstanden. Selbstbestimmung beginnt nicht mit dem ersten vollständigen Satz – sie beginnt mit dem ersten Blickkontakt.

Was wir stattdessen tun (und lassen) sollten

• Beobachten statt bewerten: Nicht jedes „Nein“ ist ein Machtspiel. Manchmal ist es einfach ein Nein.
• Fragen statt entscheiden: „Möchtest du den roten oder den blauen Becher?“ ist besser als „Hier, trink.“
• Zuhören statt übergehen: Auch nonverbale Kommunikation ist Kommunikation. Und sie ist verdammt ehrlich.

Fazit: Selbstbestimmung ist kein Luxus – sie ist Menschenrecht

Kinder unter drei sind keine Objekte der Fürsorge. Sie sind Subjekte ihrer eigenen Entwicklung. Wer das nicht erkennt, arbeitet nicht pädagogisch, sondern verwaltend. Und wer das ändern will, muss bei sich selbst anfangen.

Also, liebe Kolleg:innen: Weniger „Ich weiß, was gut für dich ist“ – mehr „Was brauchst du gerade?“

Denn Selbstbestimmung beginnt mit Selbstreflexion. Und die ist – Überraschung! – auch für Erwachsene möglich.

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FAQ

Warum wird die Selbstbestimmung von U3-Kindern oft übergangen?

Weil ihre Kommunikation häufig unterschätzt wird. Viele Erwachsene deuten nonverbale Signale nicht als Ausdruck von Bedürfnissen oder Entscheidungen – dabei sagen Blicke, Gesten und Körperhaltungen oft mehr als Worte.

Können Kinder unter drei überhaupt mitbestimmen?

Ja – auf ihre Weise. Schon Babys zeigen deutlich, was sie wollen oder ablehnen. Pädagogische Fachkräfte können diese Signale lesen und entsprechend handeln – das ist gelebte Partizipation.

Was bedeutet Selbstwirksamkeit bei Kleinkindern?

Selbstwirksamkeit heißt: Ich kann etwas bewirken. Wenn Kinder erleben, dass ihre Handlungen Einfluss haben, stärkt das ihr Selbstvertrauen, ihre emotionale Stabilität und ihre soziale Kompetenz.

Wie können Fachkräfte die Selbstbestimmung im Alltag fördern?

Indem sie aufmerksam beobachten, Alternativen anbieten („Möchtest du den roten oder blauen Becher?“), und nonverbale Kommunikation ernst nehmen. Es geht um Begegnung auf Augenhöhe – auch ohne Worte.

Was können Teams tun, um ihre Haltung gegenüber U3-Kindern zu reflektieren?

Regelmäßige Fallbesprechungen, Fortbildungen zu frühkindlicher Entwicklung und offene Teamgespräche helfen, unbewusste Routinen zu erkennen. Haltung zeigt sich nicht in Worten, sondern im Handeln – jeden Tag.