„Meine Kinder, deine Kinder“ – Warum pädagogische Haltung mehr braucht als Gruppendenken
In vielen Kindertageseinrichtungen begegnet man einem subtilen, aber wirkmächtigen Muster: „Das sind meine Kinder“ – „Das sind deine Kinder“. Was auf den ersten Blick nach Verantwortungsbewusstsein klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als problematische Haltung, die mit einer professionellen Pädagogik wenig zu tun hat.

Gruppenstruktur als pädagogischer Rahmen – nicht als Grenze
Natürlich brauchen Kinder Orientierung und feste Bezugspersonen. Gruppenstrukturen bieten Sicherheit und ermöglichen Beziehungsaufbau. Doch wenn pädagogische Fachkräfte in einem starren Gruppenverständnis verharren, entsteht eine geschlossene und abgrenzende Haltung. Kinder werden nicht mehr als Teil einer gemeinsamen pädagogischen Verantwortung gesehen, sondern als „Zuständigkeit“. Das blockiert nicht nur die Zusammenarbeit im Team, sondern vor allem die Selbstbildungsprozesse der Kinder.
Teilhabe braucht Offenheit
Kinder lernen durch Teilhabe – durch das Beobachten, Mitmachen, Ausprobieren. Wenn sie sich frei in der Einrichtung bewegen dürfen, neue Räume und Bezugspersonen kennenlernen, erweitern sie ihre sozialen Kompetenzen und ihr Selbstbild. Eine offene Haltung der Fachkräfte ist dafür essenziell. Wer Kinder nur innerhalb der eigenen Gruppe sieht, verhindert diese Entwicklung. Pädagogische Qualität entsteht nicht durch Quantität – also nicht dadurch, dass alle Kinder eine Laterne basteln oder dass ich jederzeit weiß, wo „meine“ Kinder sind. Sie entsteht durch Beziehung, Vertrauen und individuelle Förderung.
Professionelle Haltung statt Besitzdenken
Pädagogik ist kein Wettbewerb. Es geht nicht darum, wer die „besseren“ Kinder hat oder wer „seine“ Gruppe am besten im Griff hat. Eine professionelle Haltung bedeutet, alle Kinder als gleichwertige Lernende zu betrachten – unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit. Das erfordert Reflexion, Teamarbeit und die Bereitschaft, eigene Routinen zu hinterfragen.
Weiterentwicklung als Auftrag
Die Bildungspläne der Länder und aktuelle entwicklungspsychologische Erkenntnisse fordern eine inklusive, partizipative Pädagogik. Das bedeutet: Kinder sollen mitgestalten, mitentscheiden und sich als aktiver Teil ihrer Lernumgebung erleben. Das gelingt nur, wenn wir als Fachkräfte unsere Haltung öffnen – weg von „meine Kinder, deine Kinder“, hin zu „unsere Verantwortung für alle Kinder“.
Fazit: Haltung entscheidet
Wer Kinder in Gruppen denkt, denkt zu kurz. Wer Kinder als gemeinsame Verantwortung sieht, schafft Raum für Entwicklung. Es ist Zeit, unsere Haltung zu überdenken – nicht aus Kritik, sondern aus dem Wunsch nach pädagogischer Qualität. Denn jedes Kind verdient Teilhabe, Selbstbildung und eine Umgebung, in der es nicht nur „zugeordnet“, sondern wirklich gesehen wird.
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FAQ
Warum ist das Denken in „meine“ und „deine“ Kinder problematisch?
Weil es Verantwortung trennt, statt sie zu teilen. Wenn Fachkräfte Kinder als „ihre“ Gruppe betrachten, entsteht Abgrenzung. Das behindert Teamarbeit und verhindert, dass Kinder die gesamte Einrichtung als Lern- und Lebensraum erleben. Professionelle Pädagogik bedeutet, gemeinsame Verantwortung für alle Kinder zu übernehmen.
Brauchen Kinder nicht feste Bezugspersonen?
Doch, unbedingt. Verlässliche Beziehungen geben Sicherheit und Orientierung. Entscheidend ist jedoch, dass diese Bindungen nicht ausschließend wirken. Kinder dürfen zusätzlich andere Fachkräfte kennenlernen und Beziehungen zu ihnen aufbauen – das stärkt ihre soziale Kompetenz und ihr Vertrauen in neue Situationen.
Wie kann ein Team Offenheit und gemeinsame Verantwortung fördern?
Durch klare Absprachen, gegenseitige Wertschätzung und regelmäßige Reflexion. Teams, die sich als gemeinsames pädagogisches Netzwerk verstehen, schaffen Freiräume: Kinder dürfen gruppenübergreifend spielen, entdecken und lernen. So wird aus „meine Gruppe“ eine gemeinsame Lernumgebung.
Was bedeutet professionelle pädagogische Haltung konkret im Alltag?
Eine professionelle Haltung zeigt sich in Reflexion, Kooperation und Offenheit. Sie bedeutet, Entscheidungen nicht aus Routine oder Besitzdenken zu treffen, sondern auf Basis pädagogischer Prinzipien – etwa Teilhabe, Inklusion und Selbstbildung. Kurz: Haltung heißt, das Kind in seiner Individualität zu sehen, nicht in seiner Gruppenzugehörigkeit.
Wie profitieren Kinder von einer offenen Haltung der Fachkräfte?
Sie erleben mehr Teilhabe, Selbstbestimmung und soziale Vielfalt. Kinder lernen, sich in unterschiedlichen Gruppen zu bewegen, Beziehungen zu mehreren Erwachsenen aufzubauen und eigene Interessen zu verfolgen. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein und ihre Fähigkeit, sich in komplexen sozialen Situationen zurechtzufinden.


